Public money = public code

Jan Philipp Dietrich, May 16, 2022


Die Initiative “Public Code = Public Money” fordert, dass durch Steuergelder finanzierte Software als Freie Software veröffentlich werden soll: ein spannendes Thema insbesondere für RSEs. Wir als Verein haben uns die Frage gestellt, ob der deRSE e.V. diese Position auch so vertritt und wir den Aufruf entsprechend unterstützen sollten. Um die Frage zu beantworten, haben wir das Thema in der deRSE-Mailingliste sowie im deRSE Rocket Chat zur Diskussion gestellt und auf beiden Plattformen spannendes Feedback bekommen. Dieser Blogeintrag will versuchen, die vielfältigen Punkte zusammenzufassen.

Generell war das Feedback ausgesprochen positiv gegenüber der Initiative und die Aktion wurde allgemein als unterstützenswert angesehen. Klar wurde jedoch auch, dass eine reine schwarz-weiß Betrachtung bei solch einem breiten Thema zu kurz gefasst und die konkrete Ausgestaltung einer solchen Regelung im Detail noch viele zu klärende Fragen mit sich bringen würde. So gab es z.Bsp. keinen klaren Konsens bezüglich der Frage, wie strikt eine solche Regelung sein sollte und in welchem Maße es auch Ausnahmen geben sollte. Kontrovers diskutiert wurde u.a., ob sich die Forderung nach Open Source mit Ausgründungen und Technologietransferprojekten verträgt oder nicht (sowohl für Fälle, wo das sehr gut geklappt hat, als auch für Fälle, in welchen das nicht geklappt hat, wurden Beispiele genannt). Auch war unklar, wie Projekte mit anteiliger Finanzierung durch die Industrie zu bewerten sind und wie es sich mit Software in sicherheitskritischen Bereichen verhält. Zudem wurde die Frage aufgeworfen, ob ein Zwang zu Open Source nicht zu sehr die wissenschaftliche Freiheit einschränken und evtl. Fehlanreize in der Forschung setzen würde. Gleichzeitig wurde von mehreren Fällen berichtet, in denen Wissenschaftlern gerade durch das Fehlen solcher Open Source Vorgaben Steine bezüglich einer Veröffentlichung ihrer Software in den Weg gelegt wurden. Die fehlende Sichtbarkeit des Codes aufgrund erschwerter Veröffentlichung wurde dabei als Behinderung der eigenen wissenschaftlichen Karriere wahrgenommen.

Zusammengefasst hat sich für uns das Bild ergeben, dass in der deRSE-Community ein grundsätzlicher Konsens besteht, dass Open Source in der Wissenschaft in vielen Bereich sehr wünschenswert ist, aber für eine potentielle Open-Source-Verpflichtung in der Wissenschaft bezüglich Schärfe und möglicher Ausnahmeregelungen noch Diskussionsbedarf besteht. Konsens schien auch zu bestehen in der Wahrnehmung, dass wir in der Wissenschaft das Standardlizenzmodell wechseln müssen, weg von proprietär hin zu Open Source und entsprechend freien Lizenzen. Man sollte in Zukunft nicht mehr begründen müssen, weshalb etwas frei veröffentlicht werden soll, sondern man sollte stattdessen nur noch begründen müssen, falls etwas proprietär veröffentlicht werden soll. Die Initiative “Public Code = Public Money” scheint dabei ein geeignetes Vehikel zu sein, um die Diskussion in dieser Richtung anzustoßen, weshalb wir als deRSE-Verein die Initiative namentlich unterstützen werden.

Abseits von der eigentlichen Fragestellung haben die Diskussionen im Chat und auf der Mailingliste gezeigt, was für ein breites Spektrum an Erfahrungen doch in der deRSE-Community vorhanden ist, und wir hoffen, in Zukunft häufiger solche spannende Diskussionen zusammen führen zu können!